Die Chhath Puja* – Bittgebete an den Sonnengott
Jedes Jahr im Oktober oder November feiern die Hindus in Indien Diwali, das „Lichterfest", so etwas wie das hinduistische Weihnachten. Diwali ist vielleicht auch im Westen schon ein Begriff, doch genau sechs Tage später wird ein völlig unbekanntes Fest begangen, die Chhath Puja - selbst viele Inder haben noch nie davon gehört.
Die Chhath Puja wird vor allem in den indischen Bundesstaaten Bihar, Jharkhand und im östlichen Uttar Pradesh gefeiert; unter den dortigen Hindus ist es das wichtigste Fest des Jahres.
Die Chhath Puja ist das wohl einzige Hindu-Fest, das gänzlich ohne Götterfiguren auskommt. Verehrt wird in diesem Fall der Sonnengott Suryadev und das passenderweise in Form der Sonne. Dazu finden sich die Gläubigen an Flüssen, Seen oder heiligen Wasserbecken ein, stellen sich hüfttief ins Wasser, und mit Opfergaben oder Räucherstäbchen der Hand betet man in Richtung der untergehenden Sonne. Das Fest dauert die ganze Nacht hindurch, und am Morgen wird auf ebenso inbrünstige Weise der Sonnenaufgang begrüßt.
Die meisten Feiernden sind Frauen, und diese beten um Glück für den Ehemann und Familie. Es heißt, dass der Sonnengott alle Wünsche erfüllt, wenn frau/man die Riten und Gebete ordnungsgemäß vollzieht. Vor dem Fest werden farbenprächtige neue Saris gekauft, und so geben die im Wasser betenden Frauen - samt den ebenso kunterbunten Opfergaben - ein wunderschönes Bild ab. Unter den zahllosen Festen in Indien ist die Chhath Puja eines der ruhigsten und beschaulichsten - für Touristen sicher eine Art „Geheimtipp“ unter den Festen. Es ist die pure Zelebration der Sonne als Quell allen Lebens auf der Erde, und man kann sich vielleicht Jahrtausende zurückversetzt fühlen, als Religion noch reine Naturverehrung war. Gefeiert wird die Chhath Puja auch überall in Indien, wo sich viele Biharis niedergelassen haben, z.B. in Delhi und Mumbai.
Indien und seine Bewohner besser verstehen – mehr dazu im Kulturschock Indien von Rainer Krack.
(*Amn.: Ich schreibe „die“, da Puja in Sanskrit/Hindi feminin ist.)
Fotos und Text von Rainer Krack
Diese Familie aus Maharashtra hat die Chhath Puja noch nie erlebt. Es ist das erste Mal.
Schalen mit Opfergaben: Kokosnüsse, Ananas, Bananen, Granatäpfel, Zimtäpfel (die grünen Früchte mit der schuppenartigen Schale), weitere Obstsorten, sowie Gebäck und Süßigkeiten.
Diese Festteilnehmer haben Kokosnüsse als Opfergaben mitgebracht.
Kinder feiern die Chhath Puja gerne mit Wunderkerzen.
Ruhig und bewegungslos, mit dem Blick in Richtung der untergehenden Sonne und mit Opfergaben in der Hand, verharren die Gläubigen eine Stunde oder länger und beten lautlos, innerlich zu Suryadev.
Manch Gläubiger legt das Gelübte ab, sich in einer anstrengenden Auf- und Ab-Bewegung bis zum Gewässer hin zu bewegen - oft kilometerweit. Dazu wird ein Stock oder Stift in der Hand getragen, man legt sich auf den Boden, streckt die Hand mit dem Stock so weit wie möglich nach vorne aus, dann steht man auf und legt sich an die Stelle, bis zu der der Stock gereicht hat. Dort legt man sich wieder hin, streckt die Hand mit dem Stock aus, steht auf, usw. Das Ganze sieht etwa aus wie eine Raupe, die sich auf- und abschlängelt und dabei fortbewegt. Der Ritus nennt sich dandwat pranaam, etwa „Verehrung/Begrüßung mit Hilfe des Stockes“.
Eine Familie bei der Chhath Puja: Der Vater trägt die Opfergaben - in einem Korb auf dem Kopf
Dieser jungen Ballonverkäuferin beschert die Chhath Puja eine zusätzliche kleine Einnahmequelle.
Strände bieten besonders viel Platz, die zahlreichen Opfergaben auszubreiten.
Mühselige Fortbewegung: Ein Praktizierender von Dandwat Pranaam zeigt mit dem Stift auf die Stelle, an der er sich nach dem Aufstehen wieder hinlegen wird.